Mercedes-Benz GLS 63 AMG


Ein 4-köpfiges Team, 5,5 l Hubraum, Achtzylinder, mehr als 2,3 t Gewicht – und gefühlt genauso viel Gepäck. Es ist ein befreiendes Gefühl nach guten vier Stunden eaus der verhältnismäßig kleinen C-Klasse zu steigen und Ausrüstung samt Taschen in das schwarze Ungetüm mit AMG-Badge am Heck zu verfrachten. Jeder einzelne von uns hat sich insgeheim die Frage gestellt, wie dermaßen viel Fracht in die im Vergleich winzige Limousine passt… Während wir also noch erstaunt im Gedanken schweifen bedienen uns bereits die Massagesitze für die First Class im Dickschiff, welche nicht zu aufdringlich sondern schon eher zart und schüchtern die Oberkörperpartien der Passagiere behandeln.

Doch genug geträumt und philosophiert, auf geht es zum eigentlichen Ziel. Genauso entschlossen wie der Mercedes-AMG GLS 63 4MATIC seinen Auftritt auf der Straße eindrucksvoll mit seinen gigantischen Ausmaßen inszeniert, geht es auch zielstrebig in Richtung Süd-Westen. Aber wohin eigentlich? Dijon, klingt ganz nett, oder?

Raus aus den engen Straßen von Stuttgart rauf auf die Autobahn.

Für sportlich ambitionierte AMG Fahrer wandert die Hand nun zur Fahrstufenverstellung. Den Schalter von Komfort auf Sport+ gestellt wird nun der Anschlagspunkt des Gaspedals ausgelotet. Wie sich Phönix aus der Asche erhebt packt das M 157 DE 55 AL-Aggregat den Dampfhammer aus und nimmt gleichzeitig dem Navigationssystem einige Minuten von der Uhr ehe wir die französische Grenze passieren. Die Zeit verfliegt…

Von der Überholspur auf Kaffeefahrt.

Lästiges Stop & Go wird proaktiv durch die etlichen Fahrassistenzsysteme bekämpft, langweilig? Vielleicht, aber dafür auf höchstem Niveau angenehm – für Unterhaltung sorgen wir schon selbst. Es entwickelt sich eben eine ganz spezielle Dynamik auf solchen Roadtrips, die nicht vergleichbar ist. Vier Individuen, vier Denkweisen und zwei Überschneidungen: den Hang zum Sarkasmus und die Vorliebe für KFC. Beides wird uns auf der Strecke noch den ein oder anderen Extrastopp bescheren.
Auch wenn der Komfort-Modus alle unsere Problem hätte in den Schlaf schicken können – so grazil gleitet Mercedes größtes PKW-Modell entlang den sattgrünen Weinbergen in Mittelfrankreich auf der dicht befahrenden Autobahn – kann dies immer eine Person verhindern und wenn es auch nur durch den Weckruf der Sportauspuffanlage geschieht, die mit triumphalen Knall- und Poltereinlagen das Vordringen auf eine idyllische Landstraße feiert. Endlich. Alle wach?

Selbst wenn nicht, spätestens wenn sich über zwei Tonnen Aluminium, Metall, Kunststoff und Kautschuk bei einer Airtime von einer gefühlten Ewigkeit in der Luft befinden während der Begrenzer bei knapp 6000 U/min nur noch für ein durchdringendes Tremolo samt Fehlzündungen sorgt packt dich die Realität und Schwerkraft so hart am Magen, dass du nicht mal mehr weißt ob das nun Schmetterlinge im Bauch sind, Freude oder akutes Unwohlsein. Das kommt wohl meist auf den Fahrer an – schädlich ist es natürlich, wenn sich drei der vier Personen als absolute Petrol Heads outen, die immer wieder die Lektion mit der Ideallinie in der Praxis wiederholen müssen, weil sie in der Fahrschule vernachlässigt wurde.

Der Herzschlag fährt runter, der Schweiß verdunstet.

Der erste Tag endet so ruhig wie man es sich nur vorstellen kann: das Biest versinkt in den tiefen blaue Tönen der Nacht, pures Understatement herrscht, wenn gewollt. Der GLS fügt sich in das elitäre Nachtleben von Dijon ein – ohne Allüren, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen aber stets im Mittelpunkt.

Kein Wunder, dass am nächsten Morgen das Kontrastprogramm ruft. Ein grober Plan welche Aufnahmen noch fehlen, welche Locations über Google Maps und Street View Früchte tragen könnten und dabei die unaufhaltsame Zeigerbewegung der Uhren im Auge. Bereits oben vom Berg rief ich in das Tal hinunter: enttäuschte Blicke am Straßenrand werden von winkenden Menschen entkräftet als die Heimischen feststellen, dass niemals ein Supercar durch die kleinen Dörfer fahren wird, sondern der Lärm aus der schier endlos wirkenden Motorhaube des Zuffenhauseners entstammt.

Vier Männer, vier Bier und das Umsonst für eine Sitzprobe und Erinnerungsfoto

Wir sind dankbar für so viel Gastfreundschaft und Enthusiasmus über unseren Besuch obwohl die erste Lektion des Sprachhörbuchs uns gerade einmal „je ne parle pais francais“ gelehrt hatte. Exakt in diesem gleichen Städtchen, welches wie leergefegt wirkt (schließlich spielt Frankreich in der Gruppenphase der EM), sollte auch eines der Shootings stattfinden. Leere Straßenzüge, wenig aber sehr interessiertes Publikum und ein Setting wie aus dem Bilderbuch. Mit spät-mittelalterlichen Zügen, engen Gassen (ganz schön eng hier), Farbakzenten, die willentlich einen Kontrast bilden wollen. Den Moment genießen, diese Ruhe, einfach Zeit verstreichen lassen – denn hierfür lohnt es sich.

Weiter geht es durch die Weinberge der angrenzenden Ortschaften ehe wir ein kleines Chateau entdecken, das uns einladend hineinlockt. Wo sind wir nur gelandet? Das bekommt man auch nur zu Gesicht wenn man abseits der Route fährt, schließlich ist doch der Weg das Ziel und das scheinen wir bereits erreicht zu haben. Unser kontrastreicher Ablauf rief aber wieder die Großstadt der Provinz auf den Schirm – Dienstagabends soll es in Dijon rappelvoll sein, denn anders als in Deutschland findet das Leben hier hauptsächlich auf der Straße statt. Ein Grund mehr den Staub der Straße abzuwaschen und sich für das Nachtleben schick zu machen. Wir sollten nicht enttäuscht werden.

Die zentralen Plätze und Ausgehviertel sind überfüllt von gutaussehenden Menschen, charmant wird uns an jeder Ecke ein Lächeln zu geworfen. Hier fühlt sich auch unser Untersatz wohl, er läuft gar zur Bestform auf und weis mit seinem Charakter zu überzeugen. Selbstverständlich, dass sich so ein Körper nicht verstecken muss und die inneren Werte stimmen auch noch. Das fällt auf uns neidische Blicke lassen sich ausmachen, die diese durch einen kräftiger Gasstoß an der gerade grün gewordenen Ampel direkt zu einem breiten Grinsen werden lassen.

Es macht viel zu viel Spaß der Unvernunft freien Lauf zu gewähren und sorglos das Unbekannte zu erkunden, schließlich ist der zuverlässige Begleiter an unserer Seite so entworfen worden uns niemals zu enttäuschen. Was soll ich sagen? Die Zeit verfliegt noch schneller wenn die Schaufeln des BiTurbos mit weit über 100.000 u/min drehen, dass man sie gar nicht mehr davon abhalten möchte. Zu verlockend ist das pfeifen des sich aufbauenden Ladedrucks gefolgt von Silvester ähnlichem Knallen der Auspuffrohre.

Unser Trip nähert sich dem Ende, nun lassen wir die letzten 1.000 km Revue passieren und blicken gespannt bei einem Glas Wein vor unserem Kamin das Material der letzten Tage durch. Langsam macht sich auch die Müdigkeit bemerkbar. Früh geht es heute in die Schlafräume, denn morgen stehen wieder über 1.000 km und 12 Stunden Autofahrt vor uns. Doch einen Stopp haben wir noch vor uns, Dijon ist nämlich nicht nur für sein Nachtleben und ein scharfes Gewürz aus Samenkörnern des Senfes bekannt. Außerhalb des Troubles befindet sich der Circuit de Dijon-Prenois, eine 3,8 km lange Rennstrecke aus den 70er Jahren die neben der DTM auch viele andere größere Rennen beherbergt. Neben den letzten Aufnahmen nahmen wir auch Platz am Steuer von 18 PS starken Rennkarts um uns am Rand der Rennstrecke den letzten Adrenalinkick zu geben. Etwas wehleidig sind wir aber trotzdem, einerseits, weil wir unser starkbrüstiges Wohnzimmer langsam an seinen Besitzer übergeben müssen aber auch weil wir die 2.6 Tonnen gerne mal über die Rennstrecke gedroschen hätten. Verstecken muss er sich davor mit Sicherheit nicht, dass hat er bereits eindeutig bewiesen.